Das Vorbereitungsseminar in Haifa war ein guter Start in das Jahr als Freiwillige in Israel, denn man war bereits in Israel angekommen, war die ersten Tage aber überwiegend von Deutschen umgeben. Dadurch wurde einem auf angenehme Weise immer klarer, dass man nicht mehr in seinem alten Zuhause ist und auch, dass man nach den Seminartagen völlig selbstständig in einem neuen Land sein wird. Die Kombination aus Ausflügen und Vorträgen sowie Ulpanstunden, machten das Seminar abwechslungsreich und überwiegend interessant. Außerdem hatten man im Rutenberg Institut die Möglichkeit weitere Volontäre kennenzulernen und mit diesen den einzigartigen Ausblick auf Haifa zu teilen.

Wir wurden von ehemaligen Volontären in unserer Einrichtung sehr gut in Empfang genommen, sie zeigten uns sowohl unsere Wohnung als auch das Gelände der Einrichtung sowie unseren Arbeitsplatz. Dadurch wurde uns ein einfacher Start ermöglicht. Dennoch fragte ich mich zu Beginn, ob die Arbeit psychisch oder physisch zu anstrengend sein wird, wie das Einarbeiten in ein bereits funktionierendes Team sein wird oder wie und vor allem wann die Sprachbarriere überwunden sein wird. Mittlerweile sind all´ diese Unsicherheiten verflogen. Ich fühle mich, auch dank der zuvorkommenden Personen (Kollegen, Chefs, Betreuungspersonen und auch Residents), die sich super um uns kümmern, angekommen und freue mich auf das kommende Jahr in Israel.

Interview am 21. Juli mit Julia Melnikova

Die ZWST vertritt die jüdischen Landesverbände und jüdischen Gemeinden auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege.  An zahlreichen Standorten in Deutschlandbetreibt und organisiert die Organisation eine Vielzahl unterschiedlicher sozialpädagogischen Angebote mit regionalen und bundesweiten Bezügen.

1. Julia, im Sommer 2017 hast du dein Abitur gemacht und bist anschließend im August für ein Jahr als Bundesfreiwillige nach Israel gegangen. Wie kamst du auf diese Idee?

Ich hatte schon früher die Idee, ein BFJ nach Abitur im Ausland zu machen,

um neue Erfahrungen zu sammeln. Dadurch, dass ich ehrenamtlich aktiv bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) bin, habe ich eben vom Deutsch-Israelischen Freiwilligen Dienst erfahren.

Ich war schon davor und bin auch weiter nach dem Freiwilligendienst ehrenamtlich Madricha/Betreuerin von jüdischen Kindern und Jugendlichen auf Sommer-und Wintermachanot/Feriencamps.

2. Warum speziell nach Israel und nicht z. B. hier in Würzburg in einem Altersheim?

Zum einen wollte ich eine Pause vom Lernen und vomAlltag, so wie ich ihn kenne.

Dann war das Studienziel noch unklar. Deshalb war der  BFD  für mich die beste Möglichkeit, da ich an einem Ort länger bleiben und somit in der Gesellschaft besser integriert konnte. Dadurch konnte ich die Leute im Land und ihre Kultur besser kennenlernen.

3. Fiel die Entscheidung für Dich schwer?

Für mich persönlich nicht, da es so lange in meinem Plan war. Ich war froh, alsich Abitur hatte und endlich ins Ausland konnte.

Ich war fokussiert aufs Ausland , eventuell eine neue Sprache zu lernen und andere Gewohnheiten zu erleben. Israel kam dann in Frage, da ich eine gute Möglichkeit  erhielt.

4. Wie reagierten Deine Familie und Freude?

Meine Familie war froh, dass das Israel –sozusagen ein ‚bekanntes‘ Land -wurde. Ich persönlich habe übrigens dort entfernte Familienangehörige.

Gleichzeitig hört man von negativen Berichten in den Medien. Deswegen waren meine Eltern ein bisschen beängstigt. Letztendlich waren sie froh, dass ich eine Organisation gefunden habe, die mich in den organisatorischen Fragen unterstützt hat. Freude reagierten unterschiedlich, je nach dem , wie viel Bezug sie zum Land 

Israel hatten. Verallgemeinert gesagt, waren die israelischen Freunde gelassener und die deutschen Freunde schockierter.

5. Was hattest Du dich im Vorfeld vom Jahr in Israel versprochen?

Ich habe mir vor allem durch neue Erfahrungen Persönlichkeitsentwicklung versprochen bzw. erwartet. Vor allem, dass gerade mit Volljährigkeit -also mit 18 Jahren -ein prägendes Alter ist. Ich wollte in einer sozialen Einrichtung arbeiten und unter anderem Freundschaften in Israel knüpfen. Daneben wollte ich ein neues Land erkunden: den Strand besuchen, neue Städte bereisen, die Natur genießen.

6. Welche besonderen Vorbereitungen musste eine 18-Jährige vor der Reise nach Israel treffen?

Meiner Meinung nach nicht so viele. Bei einer organisierten Reise muss man sich an die Vorgaben der Organisation halten und die all benötigten Anträge rechtzeitig zu schicken. Ansonsten muss man dann den Koffer selber packen und sich über das Land informieren. Das ist für eine Reise für einen Monat wichtig und für einen einjährigen Aufenthalt ähnlich.

7. Nach der Flugreise steigst Du dann im Flughafen Tel-Aviv aus und schaust dich um. Was waren Deine ersten Gedanken auf dem Boden im Heiligen Land?

Ich war gespannt und nervös, wie die ersten Tage werden. Und ich glaube, es war sehr heiß, es war Ende August.

8. Wie wurdest du von den Leuten dort empfangen?

Wir sind zuerst nach Haifa zu einem Seminar für alle Freiwillige gefahren. Wir waren vorerst für 3 Tage mit den Gleichaltrigen in der deutschen Umgebung. Wir konnten dadurch einen Netzwerk zwischen den Volontären bilden, was hilfreich für Besuche war, um Situationen zu vergleichen oder sich gegenseitig zu besuchen. Wir wussten dann, wer in welcher Stadt war. Wir konnten uns dann bei den Problemen aller Art gut beraten und unterstützen.

Der Empfang in meiner Einrichtung war zwar chaotisch; die Menschen mit Behinderung und die Mitarbeiter haben sich allerdings sehr über unsere Ankunft gefreut. In den ersten Arbeitstagen haben viele Mitarbeiter mir geholfen, die Sprache zu lernen und den Arbeitsablauf zu verstehen. Denn ich hatte vor der Einreise nach Israel keinerlei Hebräisch-Kenntnisse.

9. Wen hast du dort im Laufe des Jahres kennengelernt? Wie würdest Du deine sozialen Kontakte beschreiben?

Ich war vor allem durch die Arbeit sehr viel mit meinen Mitarbeitern im Kontakt. Da ich in einer großen Einrichtung gearbeitet habe, hatte ich eine große Auswahl an den 

Personen, an die ich mich wenden konnten. Dabei bin ich froh, dass ich viele Menschen aus unterschiedlichen  Ursprungsländern kennenlernen durfte, wie z. B.  äthiopische Juden, Juden aus Russland, aus dem Irak oder Muslima.

10. Während des Bundesfreiwilligendienstes übernehmen die Jugendlichen verschiedene Aufgaben. Wo konntest Du dich einbringen?

Meine Einrichtung war ein Zuhause für die Menschen mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Ich habe vor Allem Leute im Rollstuhl eine Abwechslung in ihren Alltag gebracht, indem ich auf dem Gelände mit ihnen spazieren war und ihnen so die individuelle Aufmerksamkeit geschenkt habe. Und das ist zusätzlich zu der pflegerischen Arbeit, die die Mitarbeiter sehr gut durchführten.

11. Wie würdest Du einen gewöhnlichen Tag während deiner Aufenthalt in Israel beschreiben?

Meine Arbeitszeiten begannen um 7.00 Uhr morgens. Dafür war ich schon um 13.30 Uhr fertig. Dazwischen gab es eine Frühstückspause und danach ein Mittagessen in der Einrichtung. Ca. 1 bis 2 mal im Monat haben wir auch nachmittags zu bestimmten Feierlichkeiten mitgeholfen.

Üblicherweise konnte ich meine Freizeit so nutzen, wie ich wollte. Ich verbrachte meine Freizeit mal in unserem Haus für die Freiwilligen mal am Strand. Ab und zu besuchte ich Freunde und Familienangehörigen oder verreiste.

12. Welche kuriose Situationen hast Du meistern müssen?

Zu Beginn war natürlich alles schwerer, da ich die Sprache nicht verstanden habe. So entstanden zuerst natürlicherweise Missverständnisse, z. B. auf der Arbeit. Mit der Zeit lernte ich die Arbeit kennen und Hebräisch. Die Missverständnisse verschwanden allmählich.

Man musste sich dran gewöhnen, dass man vor Schabbat alles organisieren musste, da es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Es kann immer wieder mit den Menschen in der Einrichtung zu den ungewöhnlichen Situationen kommen, was aber dazu gehört.

13. Wie war die Stimmung in der Gruppe der Bundesfreiwilligen? Waren auch andere Jugendlichen aus Deutschland dabei?

Die Stimmung war gut. Man hatte mit einen Leuten mehr mit den anderen weniger Kontakt, was aber normal ist. In meiner Einrichtung arbeiteten 4 anderen Freiwilligen aus Deutschland. Und auch die Seminare, die wir alle 3-4 Monate hatten, liefen auf Deutsch. Deswegen kannte ich vor allem die Jugendlichen aus Deutschland.

14. Ein Jahr geht schnell vorbei. Welche Gedanken hattest Du in den letzten Tagen Deines Aufenthaltes?

Dass es schnell vorbeigegangen ist. Dass ich meinen Alltag, den ich dort hatte, vermissen werde. Vor allem auch die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe.

15. Und nach dem Jahr? Wieder zurück in der Heimat. Was hat sich für Dich erfüllt?

Meine Persönlichkeit hat sich sehr entwickelt. Ich bin selbständiger geworden.

Ich habe Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung sammeln können. Davor hatte ich keinerlei Berührungspunkte.

Bevor ich nach Israel kam, kannte ich das Land wenig, die Sprache gar nicht. Jetzt bin ich zurück und behaupte, ich habe viel vom Land gesehen. Ich kann vor Ort zu Ort allein umher kommen  und auch finden, was ich   brauche. Außerdem kann ich mich mit Menschen, die nur Hebräisch sprechen, verständigen.

16. Was würdestDu den Jugendlichen hierzulande raten, die eventuell mit dem Gedanke spielen, den Bundesfreiwilligendienst in Israel zu verbringen?

Ich kann basierend auf meinen Erfahrungen nur empfehlen. Man muss sich aber klar sein, dass es unterschiedliche Einrichtungen gibt, die unterschiedliche Konditionen haben. Mein beschriebener Arbeitsalltag kann von den anderen sehr stark unterscheiden. Letztendlich ist es -meiner Meinung nach –die Einstellung, die entscheidend ist. Die Zeit im Ausland wird gut, wenn man sich mit den gegebenen Verhältnissen arrangiert.

17. Und Deine nächste Reise nach Israel? Wann findet sie statt?

Fünf Monate nach meinem Aufenthalt war ich schon wieder in Israel. Das war im Januar 2019. Ich  möchte bei Gegebenheit noch mal hin. Aktuell vor allem , um die Menschen in meiner Einrichtung zu besuchen und mein Hebräisch zu verbessern.

Dann wünsche ich Dir viel Erfolg für Deine Zukunftspläne und bedanke mich sehr herzlich für dieses Interview.  

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